Re: Kulturkampf
Geschrieben von berghof am 21. Februar 2006 17:34:
Als Antwort auf: Re: Kulturkampf geschrieben von Brombeere am 17. Februar 2006 14:34:
Dr.Berghof meint:
Liebe Brombeere,
gnaz allgemein zum hoch interessanten Thema "Kulturkampf" :
Die Bewegung für Krishna-Bewusstsein bietet eine universale spirituelle Kultur an, die als -zusätzliche- Bereicherung verstanden werden soll. Es ist nicht unser Anliegen, dass Menschen ihre bisherige Kultur, z.B. die europäische Kultur aufgeben oder damit verbundene gute Werte vernachlässigen. Wir fordern also zum Beispiel niemanden dazu auf, seine bisherige Konfession aufzugeben oder seine bisherigen kulturellen Werte zu verleugnen, wenn sie für ihn wertvoll sind. Man kann die Kultur des Krishna bewusstseins einfach dazunehmen, wenn man möchte, bzw. auch einzelne Elemente.
Mit gutem Gewissen kann man sagen: Es ist auch nicht unser Ziel, die so genannte "indische" Kultur zu verbreiten oder die Überlegenheit "indischer Kultur" zum Beispiel gegenüber der deutschen Kultur zu beweisen. Darin sehen wir keinen fortschritt. Wobei man ohnehin unter "deutsch" und "indisch" viele sehr unterschiedliche Dinge verstehen kann.
Wir raten: Von diesem ganzen Begriff des Kulturkampfes sollte man sich einmal lösen. Dazu rufen wir auf, denn der -Kampfbegriff- bringt viele unnötig negative Bilder und Emotionen hervor, die der Verständigung nicht unbedingt dienen.
Solange man sich mit dem zeitweiligen materiellen Körper identifiziert und seine inner Freiheit und Stärke nicht gefunden hat, versucht man oftmals blind, die scheinbare Überlegenheit seiner bisherigen Kultur (oder was man darunter versteht) zu verteidigen und wird völlig unnötig defensiv bzw. sogar offensiv , statt die Begegnung mit bislang unbekannten Kulturen als Bereicherung und positive Herausforderung zu betrachten. Dies ist eher ein Zeichen von Schwäche und Ignoranz als von Stärke. Oft vergessen wir dabei, dass es ja gerade ein ganz großer Vorteil der heutigen Zeit mit ihren Freiheiten in einer angeblich demokratischen Gesellchaft und den zusammenschrumpfenden Entfernungen zwischen den Nationen ist, dass wir unseren Horizont erweitern und durch die Nähe der Menschen weltweit zueinander viel Wertvolles oder auch nur unerhört Interessantes dazu lernen können.
Man könnte "Lernen" an sich allgemein so definieren, dass man wertvolle Bereicherungen gerade in dem findet, was einem bislang unbekannt war. Diese Gelegenheit kann man nutzen oder sie ablehnen. Es ist alles freiwillig Man kann also bislang Unbekanntes und angebote zum Kennenlernen als beängstigend betrachten, eventuell sogar bis hin zur Xenophobie - oder als potentielle Möglichkeit der Bereicherung.
Nach meiner Erfahrung als so gennanter bayrischer Weltreisender unterscheiden sich die grundlegenden Wertvorstellungen der verschiedenen Kulturen nicht so grundsätzlich voneinander, wie es den Anschein hat (wenn man z.B. nur die vordergründigen Streitigkeiten von radikalen Vertretern der jeweiligen Kulturen im Blickfeld hat. Diese Fubdamentalisten bilden aber in der Regel keineswegs den repräsentativen Teil der jeweiligen Kultur sondern sie sprechen nur für eine kleine aber dafür oft laute Minderheit, die eher den Streit sucht als die Verständigung. Als selbstverständlich wird dabei vorausgesetzt, dass die eigene begrenzte Weltsicht den eigenen Glauben perfekt repräsentiert udn man im Namen aller Rechtgläubigen spricht, auch wenn der eigene theologische Hintergrund dies in keiner Weise fertigt. So gibt es z.B. allein im Islam über 700 verschiedene Glaubensrichtungen und Tausende verschiedener Gelehrtenschulen der Auslegung. Es gibt also gar nicht die eine abolut allgemein gültige Auslegung des Islams.
Das ist vielen bei uns unbekannt. Während z.B. im landläufigen Sinne viele Mohammedaner der Auffassung sind, der Koran predige das Bild von einem unpersönlichen Gott, der formlos ist und von dem man sich kein bild machen darf, gibt es durchaus sehr bewanderte Gelehrte im Islam, die die Möglichkeit einer Form und Persönlichkeit Gottes voll und ganz befürworten. All das geht in der Hitze des Gefechts oft unter und man trägt Scheinkämpfe aus, um sein eigenes Süppchen zu kochen. Es kommt also immer darauf an, welchen Vertreter einer Kultur man vor sich hat. Wenn ich mich z.B. mit einem deutschen Fußball Hooligan streite, bekomme ich einen anderen Eindruck als wenn ich mit einem
Franziskaner-Mönch aus Maria Laach ein ernsthaftes Gespräch führe. Was also ist "deutsche" oder europäische Kultur ?
Wenn Goethe als Deutscher und Europäer z. B. sagt "Edel sei der Mensch, hilfreich und gut", so sind dies allgemeine menschliche Tugenden, die wir als anhänger der Veden voll befürworten und die wahrscheinlich für die meisten Menschen in allen Kulturkreisen Relevanz haben. Solchen Werten europäischer Kultur stehen wir als Anhänger er Veden weit näher als z.B. manchen radikalen Auswüchsen des orthodoxen Hinduismus.
Bewerkenswert ist aber auch, dass Goethe, Schopenhauer und andere berühmte Vertreter europäischer Kultur die krönung der veden, Bhagavad-gita, gründlich studierten und diese bedeutende Werk unter anderem als "erhabenste Lektüre die möglich ist" erwähnten - ganz sicher ohne dass deswegen jemand sie verdächtigen würde, ihre bisherige Kultur als Europäer zu vernachlässigen.
Die Bewegung für Krishna-Bewusstsein gründet auf den Lehren der altindischen Veden, die universale Anwendungsmöglichkeiten bieten. In den letzten Jahren
wenden viele Menschen überall auf der Welt, auch in Europa einzelne Elemente aus den Veden in praktischen Leben an und empfinden sie als wertvolle Bereicherung ( ohne dass sie das Gefühl haben, ihre bisherige Kultur zu verlieren) Das Interesse an Yoga, an Meditation, an Ayur-veda oder allgemein dem vedischen Wissen ist weltweit so groß wie nie zuvor, mit ständig zunehmender Tendenz. Dies ist ein real existierender Trend und ein Bedürfnis. Wir zwingen niemanden dazu, sich damit zu befassen. Wir versuchen, die enorme Nachfrage nach vedischem spirituellen Wissen und an Bhakti yoga auf qualitativ hohem Level zu bedienen, indem wir den Menschen esrtklassige Übersetzungen der vedischen Literatur zugänglich machen und in unseren Tempeln Möglichkeiten für spirituelle Erfahrungen bieten, nach authentischen Anleitungen der vedischen Literatur.
Es ist in bayern nicht ungewöhnlich, das ein aufgeklärter Mensch erst in die Barockkirche geht zum Beten und dann eine runde meditation im Tempel einlegt.
Eigentlich gilt dies bereits als sehr normal.
Erstaunt stellen viele Menschen fest, wie wenig sich die essentiellen Lehren der Veden von denen der Bibel und aller großen denker des Westens unterscheiden, nur dass die vedische Liteartur umfangreicher ist und deilliertes systematisches Wissen zum Thema Seele und Gott bietet, während in der Bibel lediglich erklärt wird, das die Seele nach dem Tod weiter existiert. Dieses Angebot an Zusatzinformationen aus den veden zu nutzen ergibt für viele moderne westliche Menschen Sinn. Sogar in den kleinsten Dörfern im hintersten bayrischen Wald mit tiefgläubigen Katholiken kennt man inzwischen sehr gut die Begriffe Reinkarnation, Meditation, wellness durch Ayur Veda und Yoga, ohne dass Menschen, die in diesen Dingen Nutzen sehen, dafür ihre bisherige Kultur vernachlässigen.
Neulich war ich als Sprecher bei einer Gruppe für interreligiösen Dialog eingeladen und muss ganz ehrlich sagen, dass ich die Vorträge der einzelnen
Teilnehmer (Christen, Juden, Mohammedaner, Hindus, Buddhisten) als große Bereicherung empfand. So habe ich zum Beispiel zum ersten mal im Leben einen Vertreter des jüdischen Glaubens über seine ernsthaft und from gelebte Religion sprechen hören. Dieser Priester freute sich ganz aufrichtig, mich zu als Vertreter von Hare Krishna zu treffen, weil er sich in den siebziger Jahren in New York oft über unseren Gesang gefreut hat. Also haben wir ihm wieder etwas vorgesungen. Solche Begegnungen sind für Anhänger des Krishna-Bewusstseins seit jeher völlig natürlich. Krishna bewusstsein will den fröhlichen Aspekt der Religiösität darstellen - Gott als wohlmeinender freund ALLER Lebewesen ( nicht nur der Hindus oder Inder) laut Bhagavad-gita.
Ich glaube, dass der "Kulturkampf" in sanfter Form zu neuen Erkenntnissen führen kann, das er in bestehender Form aber leider von einzelnen politschen Interessengruppen bewusst unnötig angeheizt wird, so dass es hier nicht wirklich um echte Glaubensunterschiede geht - dass vielmehr der "Kulturkampf" an den eigentlichen Bedürfnissen der meisten Menschen (wie z.B. nach Harmonie und Frieden) völlig vorbei geht. Es werden Ängste und Verbitterungen zum Anlass genommen, die Schuld an Misständen aller Art auf die imaginäre Boshaftigkeit und sogar Verschwörungen von Menschen in anderen Kulturen zu schieben. So braucht man sich den wirklichen Herausforderungen nicht zu stellen, sondern hat ein bequemes vereinfaches Weltbild für alle Zwecke.
Dennoch kann auch dieser Konflikt des Kulturkampfes praktich gesehen wichtige interessante Fragen aufwerfen, mit denen wir uns auf friedliche Weise immer wieder neu beschäftigen müssten - wie z.B die Frage des Respekts vor anderen Religionen, die Tatsache, dass in vielen westlichen Gesellschaften per Gesetz kein Staatsoberhaupt beleidigt aber leider doch Gott ungestraft beleidigt werden darf, die Grenzen zwischen Verwahrlosung und Liberalität, Fragen der sozialen Gerechtigkeit, Schutz von Minderheiten und Benachteiligten, und ganz allgemein Fragen der Moral, Rechte und Pflichten der einzelnen Menschen in einer global immer mehr zusammenwachsenden Welt. Die wichtigste Frage ist aber die des friedlichen Zusammenlebens und des Verzichtes auf Gewalt. Über diese Dinge muss immer wieder neu diskutiert werden, um sich dem wahrscheinlich unmöglich jemals vollständig zu erreichenden perfekten Ideal (in dieser Welt) wenigstens so weit wie möglich pragmatisch anzunähern, damit jeder Mensch die möglichkeit hat, auf friedliche Weise zu leben und seine beziehung zur Wahrheit zu finde.. - Auch wir in der Bewegung für Krishna-Bewusstsein haben nicht immer die absoluten Antwort auf alle diese Problemstellungen parat, die wir jeder Zeit aus dem Ärmel schütteln könnten... Auch wir diskutieren intensiv über viele dieser Dinge und mussten als Lernende oftmals konkrete Fehler eingestehen... wenn auch die umfangreichen und vielseitig anwendbaren perfekten Anleitungen der Veden ganz zweifellos eine großartige Hilfestellung bieten. Wobei uns nichts von der Verantwortung als Mensch entbindet, die spirituellenen Werte auch zu leben, die Fragen der praktischen Anwendung je nach Zeit und Umständen gewissenhaft zu prüfen usw. - So bietet ja auch das Mahabharata, das Hohebuch der Moral und Ethik, keine einfachen Schwarz-weiß-Lösungen an , die unter allen Umständen und immer absolute Gültigkeit haben, sondern es enthält viele umfangreiche Gespräche z. B. zwischen Yudhisthira und Bhima, in denen die ganz unterschieldiche Anwendung des gleichen Moralprinzips immer wieder von allen Seiten beleuchtet wird. Das Leben in dieser Welt und der Umgang der Menschen miteinander wird also immer von einer relativen Natur geprägt sein, so dass wir hier eine gewisse Gelassenheit und Bedachtsamkleit im Umgang miteinander entwickeln sollten,
ohne dabei unsere Integrität zu verwässern. Dies sind positive Herausforderungen auf dem Weg, eine tiefe, verinnerlichte Form der Liebe zu Gott und allen Lebewesen zu entwickeln. Gerade dort, wo die Andersartigkeit unseres Nächsten (und Übernächsten) beginnt.
Gruß, Euer Dietmar Berghof von der Alm
(***"Fragen Sie Dr. Berghof !***)