Ist das Abendland noch zu retten?

Thema 05/2006

Selbst in etablierten Blättern liest man heutzutage desöfteren, das Abendland löse sich auf, ja es zerfalle bereits. Natürlich wird in diesem Zusammenhang besonders der Islam genannt, der sich in atemberaubenden Maße ausbreite, da nicht zuletzt die Geburtenrate bei diesen Landsleute im Vergleich zu westlich orientierten Familien um ein vielfaches höher liegt.

Wie wir bereits in einem früheren Beitrag geschildert haben, muss man in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass das Abendland ohne Asien gar nicht denkbar ist. Wie bereits große Dichter und Denker des 18. und 19. Jahrhunderts, darunter Friederich Hölderlin, erkannten, sind wichtige Wurzeln der europäischen Kultur in Asien angesiedelt. Gerade weil das Bewässern dieser Wurzeln vernachlässigt wurde, kommt es jetzt zu dem offensichtlichen geistigen Verfall westlicher Zivilisationen, die, abgeschnitten von östlicher Weisheit, zu sehr mit oberflächlicher Problembewältigung beschäftigt sind. Es werden meist nur Symptome behandelt, während die Sinnfragen gerade in den öffentlichen Medien einfach nicht diskutiert werden. Man geht zwar chinesisch essen, konsumiert Döner Kebab, stellt sich eine dickleibige Buddhafigur als Schmuckstück ins Wohnzimmer, fliegt nach Goa an den Strand oder macht Sight-Seeing in Thailand. Selten jedoch untersucht man die Wurzelkulturen auf deren wirklichen ewigen Gehalt. In diesem Konsumbewusstsein verschmilzt alles zu einem Walt-Disney-Park, nur mit ein paar mehr Gestalten, Trophäen, Mitbringsel. Die Wohnzimmer sind oft multikulturelle Ausstellungsräume. Was ist daran denn europäisch? Sind es die Einheitsmöbel aus den Baumärkten, die Autos, die Rauhfasertapeten, die anglo-amerikanische Pop-CD-Sammlung, die Bücher über sexuelle Befreiung, Bob Dylan, die Rolling Stones, die Gewürze in der Küche? An was haftet die Masse der europäischen Bürger denn, was so grund-europäisch ist?

Letzlich wird die Vitalität Europas ohne schlüssige Behandlung der Sinnfrage weiter ins bodenlose sinken, denn wer die Wurzel nicht bewässert, kann nicht überleben. Der römische Niedergang ist ein oft zitiertes - und gutes - Beispiel in diesem Zusammenhang.

Zur Beruhigung der Gemüter soll hier jedoch angefügt werden, dass auch materialistisch ausgerichtete kulturelle Konkurrenzgruppen keine lange Halbwertszeit haben, sofern sie sich auf den Sturm der globalisierten Warenlager beschränken oder wie besessen nach zerstörerischen Technologien - wie Kernkraft - streben. Auch sie werden in einem sinnentleerten Vakuum ihrer natürlichen Kräfte beraubt. Wenn man sieht, wie sich die arabische Jugend in Frankreich langweilt, kann man am ehesten verstehen, was hier gemeint ist. Im wesentlichen unterscheiden sie sich doch gar nicht von echten jungen Franzosen, die sozial schlecht gestellt sind. Was nützt all diesen Menschen das Gerede von europäischen Werten, wenn sie einfach nicht zu sinnvoller Beschäftigung angehalten werden? Asiatische Langeweile und europäische Langeweile unterscheiden sich keinen Deut.

Ob in Europa oder in Asien; Es geht nicht darum, künstlich geschaffene Werte zu verteidigen, die keine nachhaltige Erfüllung mit sich bringen, sondern die Wurzeln zu begießen. Da alle Lebewesen miteinander spirituell verwandt sind, kann es bei einer solchen Bemühung nicht zu unüberwindlichen Streitigkeiten kommen, denn die Grundwerte geistiger Entwicklung sind im gesamten Kosmos dieselben. "Alle Menschen werden Brüder ...", so heißt in der Ode an die Freude! Auf solche Slogans kann man sich einigen, wenn man tiefer in wahre Kultur eindringt.

Im Shrimad Bhagavatam, Canto 5, Kapitel, 18, Vers 9, betet Prahlad, der Geweihte Shri Nrisimhadevas:

"Möge das ganze Universum von Glück gesegnet sein, und mögen alle neidischen Personen friedlich werden! Mögen alle Lebewesen durch das Praktizieren von bhakti-yoga ihre innere Ruhe finden, denn wenn sie hingebungsvollen Dienst praktizieren, werden sie an das Wohlergehen ihres Nächsten denken. Lasst uns deshalb alle der höchsten Transzendenz, Shri Krishna, dienen, und immer in Gedanken an Ihn versunken sein."

Wenn wir der Sache also auf den Grund gehen, dann finden wir Frieden, ob in asiatisch oder europäisch ausgestatteten Wohnzimmern, bei italienisch, türkisch oder mexikanisch belegter Pizza (natürlich vegetarisch versteht sich), mit oder ohne Kopftuch, mit Hose oder mit Umhang, bei Mozart oder bei Flötenmusik der Indios, mit Turban oder Hut, in der Kirche, im Tempel, der Synagoge oder der Moschee. Ein Kulturkampf wird obsolet! Wenn wir jedoch Lust, Zorn und Gier fördern, dann gehen wir höllischen Zuständen entgegen:

"Es gibt drei Tore, die zu dieser Hölle führen - Lust, Zorn und Gier. Jeder vernünftige Mensch sollte diese drei Dinge aufgeben, denn sie führen zur Erniedrigung der Seele." (Bhagavad-gita 16.21)

Warum wird der sexuellen Ausbeutung nicht Einhalt geboten? Warum ist es erlaubt, auf Werbeplakaten oder Zeitungen meist halbnackte Frauen abzubilden? Ist das die europäische Kultur? Warum wird nicht für ein einfaches Leben geworben, ohne Gier? Warum ist Wirtschaftswachstum der unangefochtene Götze? Haben das die Ureuropäer auch so gesehen? Ist das so schützenswert?

Der Großteil staatlichen Bemühens sollte stattdessen der Kultivierung innerer Werte gewidmet werden, besonders in Bildungsanstalten und bei Freizeitangeboten. Die Wirtschaftsordnung sollte so gelenkt werden, dass sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten für jeden gegeben sind. Das wäre möglich, aber warum wohl wird es nicht getan? Warum werden immer Ersatzfeinde geschaffen, um vom wahren Problem abzulenken, unserer Abkehr vom göttlichen?

Ihr Diener

Parivadi dasa