Höllenangst

Thema 24/2012

Wir befinden uns jetzt bereits im sechsten Monat des Jahres 2012. Verschiedenste gesellschaftliche Gruppen und Individuen verkünden auf youtube vielfältige Szenarien. Gerade auch christliche Gemeinschaften nutzen das große Interesse der Öffentlichkeit an dem Jahr 2012 für die Glaubenswerbung, denn es könnte ja nun auf den jüngsten Tag hinauslaufen, obwohl sich immer mehr herauskristallisiert, dass der Weltuntergang dieses Jahr eben doch nicht stattfinden wird. Die Ängste der Menschen werden von Esoterikern u. a. kommerziell ausgebeutet. Es bleibt natürlich für christlich erzogene Menschen die Frage, ob es so etwas wie das jüngste Gericht geben wird. Die fundamentalistischen Christen jedenfalls machen ganz schön Druck, um uns ins christliche Rettungsboot zu bekommen. Aus der Sicht des Vaishnavatums ist das eine Vorgehensweise, die für diejenigen gut ist, die ansonsten keinen Antrieb erkennen lassen würden, den materiellen Sumpf zu verlassen. Manche Charaktere müssen erschreckt werden, um in Bewegung zu kommen. Natürlich ist Höllenangst nicht gerade ein hoch angesiedeltes Motiv, um sich dem Guten zuzuwenden. Jedoch ist das Prinzip der Abschreckung ein universales. Zum Beispiel basiert ja auch unser Strafrecht zu einem großen Teil darauf. Man stiehlt halt nicht, weil das strafrechtliche Folgen hat. Ein besseres Bewusstsein hat derjenige, der nicht stiehlt, weil er die Ehrlichkeit liebt. Wer also charakterlich hoch entwickelt ist benötigt die Höllendrohungen nicht, weil er/sie sich zu höheren Verhaltensweisen hingezogen fühlt. Solche Menschen haben die Hölle bereits überwunden.

Der Pfad des Bhakti-Yoga zielt darauf ab, das Bewusstsein des Praktizierenden zu transformieren. Auf den ersten Stufen wird auch hier mit dem Prinzip Angst gearbeitet. Wenn ich bestimmte Dinge tue, geht es mir einfach besser oder umgekehrt.

Die Frage, ob es die Hölle gibt, lässt sich einfach beantworten, wenn man sich alleine die Zustände auf der Erde ansieht. Es gibt selbst hier höllische Lebensbedingungen, ja selbst in Deutschland. Wir möchten es uns ersparen, über die Details zu schreiben, weil das heutzutage einfach nicht in ist. Tatsache ist, dass es schreckliche Leiden gibt, in die die verschiedensten Lebewesen verwickelt sind. Aus den Schriften der Vaishnavas wissen wir, dass es im Universum spezielle Orte gibt, die zur Abtragung sündhafter Reaktionen geschaffen sind. Das sind die höllischen Planeten. Allerdings müssen die Höllenklienten nicht ewig dort verbleiben, sondern nur so lange bis die Schuld abgetragen ist.

Diese Einleitung soll dazu dienen, einige Thesen zu christlichen Vorstellungen vorzustellen, die dazu beitragen mögen, von Zwangsvorstellungen frei zu werden, die sich so leicht im Geist festzusetzen pflegen. Natürlich sind die folgenden Thesen nicht als der Weisheit letzter Schluss zu verstehen, insbesondere deshalb nicht, weil hier einfach Zeit und Raum fehlen, alles bis ins letzte Detail hinein zu behandeln. Es geht nur darum, Denkanstöße zu geben. Also hier nun die Thesen:

1. Ist Jesus am Kreuz gestorben?

Antwort: Niemand stirbt; auch nicht Jesus. Die individuellen Seelen sind von ewiger Natur. In diesem Zusammenhang ist es sehr interessant, dass manche christlichen Adventisten das Gegenteil lehren. Sie sagen, der gewöhnliche Mensch sei sterblich und müsse sich die Unsterblichkeit erst einmal durch den Glauben an Jesus verdienen. Die Unsterblichkeit wird den Jesus-Treuen hier erst am jüngsten Tag verliehen, während die Untreuen ausgelöscht werden. Bis zum jüngsten Tag warten die Individuen - wenn sie nicht mehr in einem menschlichen Körper leben - in einem Totenschlaf auf die Auferweckung.

Dieser interessante Glauben soll in einem späteren Beitrag noch einmal diskutiert werden.

2. Hat Jesus für unsere Sünden stellvertretend gelitten?

Seine Göttliche Gnade A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada führt aus, dass Jesus tatsächlich stellvertretend für seine Anhänger freiwillig gelitten hat. So ein Vorgang ist nicht auf Jesus beschränkt. Liebe zeigt sich besonders darin, dass man anderen Last abnimmt, ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen. Ein reiner Gottgeweihter kommt in diese Welt aus grundloser Barmherzigkeit, um den Lebewesen bei der Rückkehr nach Hause zu Gott zu helfen. Das ist mit Unannehmlichkeiten verbunden, die der reine Gottgeweihte auf sich nimmt, aus Liebe zu Gott und den anderen Lebewesen.

Wenn sich ein Lebewesen auf einen reinen Gottgeweihten einlässt, ihm also folgt, wird es entsprechend dem Grad des Vertrauens in den reinen Gottgeweihten von Sünden befreit, die sich im Stadium vor der Manifestierung befinden. Das parabdha-karma, die bereits manifestierte Situation, wird benutzt, um die reuige Seele nach Hause zu bringen.

3. Gibt es eine Erbsünde, oder was ist die Erbsünde, wenn es sie gibt?

Die Ursünde ist darin zu sehen, dass wir uns von Gott abgesondert haben. Wir haben sie selbst begangen. Sie muss also nicht vererbt werden. Wir sind selbst für unser Leben verantwortlich, nicht die Vorfahren, wenn wir nicht selbst einer unserer Ahnen sind.

4. Sind wir durch die Leiden Jesus nun von der Ursünde erlöst?

Je nach dem Grade, wie wir uns auf den reinen Gottgeweihten einlassen und ihm folgen, werden wir auch von der Ursünde befreit (s. analog Nr. 2). Eine automatische Erlösung ohne unser eigenes Zutun gibt es nicht.

5. Ist Jesus Gott?

Jesus ist ein Gesandter Gottes und damit so gut wie Gott Selbst. Jeder reine Gottgeweihte ist ein Sohn oder eine Tochter Gottes und wird von Shri Krishna als so gut wie Er Selbst angesehen. Jesus ist also göttlich, jedoch nicht Gott. Jeder von uns ist göttlich, jedoch nicht Gott. Jesus war von Gott mit besonderen Energien ausgestattet, mit der Vollmacht, eine große spirituelle Bewegung in Gang zu setzen. Die vedische Tradition bezeichnet solche Persönlichkeiten als ermächtigte Herabgesandte (shaktyavesa-avataras). Sie entfalten besondere Kräfte, die sie von Gott erhalten haben.

6. Benötigen wir zur Rückkehr ins Reich Gottes die Segnungen von Maria, Jesus, eines guru oder von wem auch immer?

Ein reiner Gottgeweihter betet selbst stets um die Segnungen aller Lebewesen. Es ist ein Irrtum vieler Protestanten, wenn sie denken, sie müssten fanatisch alles außer Jesus meiden. Jesus selbst möchte das nicht und ist über dieses sektiererische Verhalten nicht erfreut. Wir sollten jedes Lebewesen um die Segnung bitten, nach Hause zu Gott gehen zu dürfen. Man sollte sich in Demut von der materiellen Welt verabschieden. Sowohl in der spirituellen als auch in der materiellen Welt gibt es unzählige ermächtigte Persönlichkeiten, die Shri Krishna lieb sind. Wenn wir sie missachten, blockieren wir selbst unseren spirituellen Fortschritt. Jesus ist kein Kleinkrämer, der von uns erwartet, wir müssten ihn den ganzen Tag anbeten. Vielmehr wünscht er sich, dass wir unsere Lage erkennen und in Demut den Heimweg beschreiten. Was bedeutet es aber, wenn Jesus im Tempel sagt, er kenne seine Mutter nicht, als diese ihn beim Predigen stört und ihn zu sich rufen möchte. Natürlich wird diese Szene hervorgehoben und führt zu einseitiger Verzerrung. Warum sollte Jesus ausgerechnet seiner Mutter gegenüber unbarmherzig sein? Er wollte in dieser Situation einfach nur zum Ausdruck bringen, dass das Predigen Vorrang vor materiellen verwandtschaftlichen Beziehungen hat. Damit setzte er ein Beispiel für andere. Gleichzeitig liebt Jesus natürlich seine Mutter sehr. Er hat sie auch aus Liebe zu ihr belehrt. Wir müssen entsprechend der Situation, unseres Verständnisses und des Wunsches der Menschen, denen wir uns anvertraut haben, unser Leben gestalten in Respekt und Achtung der anderen, besonders auch der von Gott bevollmächtigten Persönlichkeiten.

Der Mutterkult, den man weltweit vorfindet, wird insbesondere von den Protestanten abgelehnt, was daran liegt, dass sie ihn leider nicht richtig einordnen können. Nach der vedischen Auffassung wird das kosmische Geschehen von maya (Maria) organisiert. Sie ist eine hohe Dienerin Gottes, eine Energie Gottes. Es ist nicht vorteilhaft, sie zu beleidigen, zu missachten oder falsch zu verstehen. Besser ist es, diese mütterliche Energie zu bitten, uns Auslass aus dem materiellen Kosmos zu gewähren, uns in unserem Gottesdienst zu unterstützen. Nicht vorteilhaft ist es natürlich, wenn wir maya zu Gott hochstilisieren. Das ist falsch. Maya steht bereit, uns in jeder Hinsicht zu helfen, wenn wir dem reinen Gottgeweihten aufrichtig dienen möchten. Sie wird uns im Auftrag Gottes testen, ob wir auch wirklich ernsthaft sind. Sie übt damit eine wichtige Funktion während der Rettung unserer Seelen aus. Dafür gebührt ihr Dank und Ehre. Alle Frauen sind mehr oder weniger mit der Energie von maya ausgestattet und sollten daher auch in dieser Rolle respektiert werden.

7. Was müssen wir tun, um nach Hause zurück gehen zu dürfen? Müssen wir einen Beitrag leisten oder geht es wie von selbst, weil ein reiner Gottgeweihter uns gerettet hat?

Der reine Gottgeweihte zeigt uns den Weg, wie wir nach Hause gehen können. Wir müssen uns bemühen, diesen Weg zu gehen. Ernsthafte Bemühungen sind unser Beitrag, der von Gott erwartet wird. Wir sollten stets darauf bedacht sein, unsere Bemühungen diesbezüglich zu optimieren!!!

8. Religiöse Institutionen neigen tatsächlich dazu, Prostituierte der Welt zu werden (so wie es in der Offenbarung hinsichtlich der Kirchen prophezeiht wurde). Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Institutionen nicht weiter einen göttlichen Auftrag hätten. Blinder Protest oder Streik nützen nichts. Als Teil einer Institution sollten wir versuchen, die Reinigung des jeweiligen Schiffes zu unterstützen. Es gibt in vielen Institutionen auch Heilige, denen wir nacheifern können. Konstruktive Kritik ist hilfreich, nicht jedoch hasserfülltes Sektierertum, weil so das Kind mit dem Bad ausgeschüttet wird. So verglich Shrila Prabhupada ISKCON mit einem Krankenhaus, wo die meisten krank sind, einige auf dem Weg der Besserung und noch weniger geheilt. Beten wir also für ISKCON! Natürlich kann es im Einzelfall angebracht sein, ein Schiff zu verlassen, um neue Wege zu gehen. Viele von uns haben z.B. die römisch- katholische Kirche verlassen, weil sie den Mut aufbrachten, ein anderes Schiff zu besteigen. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir nun das von uns früher bewohnte Schiff in Bausch und Bogen verurteilen sollen. Kritik sollte konstruktiv angebracht werden. Je nach unserer eigenen Reinheit können wir zum Wohl der Seelen auch sehr deutlich werden, wie wir das von Shrila Prabhupada oder von Jesus kennen. Jedoch sollten wir nicht größenwahnsinnig andere ohne Not beleidigen. Das hemmt unseren eigenen Fortschritt, ob wir uns nun innerhalb einer bestimmten Organisation befinden oder auch nicht.