Summer of '69
***50 Jahre ISKCON Deutschland***
Thema 37/2019
Anfang September 1969 betrat der ISKCON-Gründer HDG AC Bhaktivedanta Swami Prabhupada erstmals deutschen Boden. Darum feiern wir dieses Jahr das 50-jährige Jubiläum der ISKCON in Deutschland. Shrila Prabhupada reiste von San Francisco kommend an, wo die Hare-Krishna-Bewegung bereits großen Anklang gefunden hatte, nach Hamburg, wo einige noch wenige Hare-Krishna-Jünger versuchten, ein deutsches Zentrum zu etablieren. Bei seinen Spaziergängen in Hamburg stellte Shrila Prabhupada einmal humorvoll fest: "Die Deutschen mögen Bier, stimmts?"; Es gab zu dieser Zeit sehr viel Bierreklame an den großen Werbetafeln zu sehen.
Wir wollen das 50-jährige Bestehen der ISKCON in Deutschland zum Anlass nehmen, die uns am wichtigsten erscheinenden Eigenschaften der ISKCON zu beschreiben. Diese Darstellung ist uns nicht vorgegeben worden, sondern entspricht den persönlichen Einschätzungen des Autors dieses Beitrags:
1. Freiheit, die ich meine
Es sind insbesondere bestimmte Errungenschaften hinsichtlich gelebter Spiritualität, die uns begeistern und unser Zugehörigkeitsgefühl zur ISKCON beleben und stark machen. Zuallererst ist es das Prinzip der Freiheit, welches wir in der ISKCON in unvergleichlicher Art und Weise leben:
Die meisten Menschen assoziieren zwanghafte Verhaltensweisen bei dem Gedanken an religiöses Leben. Die ISKCON beruht hingegen auf dem Prinzip love & trust. Ja, die Basis des Engagements für diese Religionsgemeinschaft ist der freiwillige Einsatz für liebenswerte Angelegenheiten mit Gottvertrauen und dem Vertrauen in die jeweils individuellen persönlichen Eigenschaften eines jeden ISKCON-Angehörigen. Da sucht man (sie) also vergeblich nach bürokratischen Hilfskonstruktionen oder dickleibigen Regelwerken. Nein, Shrila Prabhupada setzte sein Vertrauen voll und ganz in die Anziehungskraft Shri Krishnas, die die Menschen entsprechend ihren individuellen Fähigkeiten für die Mission begeistert und aktiv werden lässt. Natürlich sorgte sich Shrila Prabhupada auch um ein Mindestmaß an organisatorischer Struktur, ohne die eine Gesellschaft nun einmal nicht über die Runden kommt. Jedoch dient die Organisation in erster Linie den Angehörigen der Organisation, während sich umgekehrt die Angehörigen der Gemeinschaft auch um das Funktionieren der Organisation kümmern. Wichtig ist jedoch festzustellen, dass in der ISKCON jeder und jede zu jedem Zeitpunkt frei ist, seinen (ihren) Beitrag zu leisten oder eben sich umzuorientieren oder gar auszuscheiden. Ohne das freiheitliche Prinzip kann sich wahre Liebe nicht entwickeln.
Der Autor dieses Beitrags kann ohne jeden Zweifel heute konstatieren, dass er seinen nun rund 30-jährigen Einsatz für die ISKCON immer in Freiheit ausüben durfte. Dafür sind wir extrem dankbar!!!
2. Meinungs- und Gewissensfreiheit
Der ISKCON-Gründer schrieb einmal in einem seiner zahlreichen Briefe, er wünsche sich Anhänger, die independent thoughtful sind, also selbständig denkende Jünger, eben nicht Zombies. In der ISKCON ist daher betreutes Denken unerwünscht. Jede(r) ISKCON-Angehörige ist dazu aufgerufen, die vedischen Schriften zu studieren und die Schlussfolgerungen für das eigene Leben bzw. den Einsatz für die Mission selbst zu ziehen. Es gehört sozusagen zum Grundgesetz der Hare-Krishna-Bewegung, Selbstverantwortung immer mehr zu vertiefen. In einem der abschließenden Verse der Bhagavad-gita (18.63) stellt Shri Krishna Selbst das Freiheitsprinzip heraus:
iti te jnanam akhyatam
guhyad guhya-taram maya
vimrishyaitad ashesena
yathecchasi tatha kuru
"Somit habe Ich dir Wissen erklärt, das noch vertraulicher ist. DENKE GRÜNDLICH DARÜBER NACH, UND TUE DANN, WAS DIR BELIEBT."
Die meisten Menschen sind froh, wenn sie angeleitet werden, ja sie möchten in einer festgelegten Ordnung leben. Diesem Bedürfnis trägt auch die ISKCON Rechnung, indem sie Tempelgemeinschaften, Schulen und andere Bildungsanstalten gründet und unterhält und indem die Geistlichen der ISKCON die Gemeinden betreuen etc., also alles, was man (sie) von einer Religionsgemeinschaft idR erwartet. Ist das jetzt nicht etwa ein Widerspruch zu den vorher geschilderten Prinzipien der Freiheit?
Nein, nicht wirklich. Hierzu abschließend folgendes:
Wenn sich zwei Menschen in einer Ehe verbinden, dann sollte dies auf freien Entschlüssen beruhen. Anderes Beispiel: Wenn ich die Universität absolvieren möchte, entschließe ich mich aus freien Stücken, mich dem Studium zu unterziehen. Natürlich ist mir dabei bewusst - sofern ich nicht geisteskrank bin - , dass so ein Lehrgang, das Leben in einer Tempelgemeinschaft oder einer Schule etc. nur funktionieren kann, wenn sich die FREIWILLIGEN Teilnehmer an die Ordnung der Institution halten. Shrila Prabhupada bemerkte einmal lapidar, dass seine Anhänger frei sind, ihm zu folgen oder nicht. Selbstverantwortung ist nun mal ein fundamentales Lebensprinzip. Selbst wenn ich ein gebrauchtes Kfz kaufe, muss ich abwägen, ob ich die Risiken tragen möchte, z. B. versteckte Mängel, bei Ratenzahlung die Kreditraten usw. Jede Form des Lebens wird von unabänderlichen Bedingungen begleitet. Jedoch sind die Gedanken immer frei, und ich kann das Feld - z. B. auf französisch - jederzeit verlassen. Im ISKCON-Jargon sagte man (sie) für gewöhnlich: "Er (Sie) ist geblubbt"; wenn jemand einfach so nicht mehr kam.
Was kann man (sie) tun? So sind die Dinge nun mal.
Abschließend möchten wir jedoch noch einmal herausstellen, dass der ISKCON-Gründer großen Wert auf eine gründliche spirituelle Schulung legte. Diese gelingt nur, wenn alle Zweifel an der Mission ehrlichen Herzens aufgrund höherer Einsichten geklärt werden. Bei Vorträgen von Geistlichen der ISKCON wird dem Rechnung getragen, indem den Teilnehmern Gelegenheit gegeben wird, ihre Zweifel vorzutragen und zwar jeweils in dem dem Vortrag anschließenden Dialog-Segment. Die Teilnehmer sollen dann rege über das Vorgetragene reflektieren, Fragen stellen bzw. Zweifel vortragen. Nur so kann Vertrauen wachsen. In der ISKCON wird der Nürnberger Trichter also nicht benötigt.
GARANTIERT! Sie werden es nicht bereuen!!!
Ihr Diener
Parivadi dasa
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